Ich sehe was, was du nicht siehst!

Der Titel dieses Kinderspiels kommt mir in den Sinn, nachdem ich einen weiteren und für mich überraschend eindeutigen Beitrag über die Bedeutung von Bewegung des musizierenden Musikers bzw. der musizierenden Musikerin in der Konzertsituation lesen durfte und den Behne und Wöllner in der aktuellen Ausgabe von Musicae Scientiae mit dem Titel „Seeing or hearing the pianist? A synopsis of an early audiovisual perception experiment and a replication“ liefern. In der Replication einer Studie von 1990 mit dem Ziel der Überprüfung der damaligen Ergebnisse wurden 35 männliche und weibliche Musikstudierende ausführlich über die Wahrnehmung von Videobeiträgen von Interpretationen vier verschiedener Pianisten zu zwei Werken (Chopin – Valse, Brahms – Cappriccio) befragt. Knapp über die Hälfte der befragten Musikstudierenden waren Hauptfachpianisten.

Mit Spannung war das Ergebnis dieser Befragungen deshalb zu erwarten, weil das vorgespielte Video manipuliert war. Es waren zwar pro Werk jeweils zwei verschiedene Musikerinnen und Musiker agierend am Instrument zu sehen, allerdings stammte die gespielte Musik nur von einem einzigen der insgesamt vier Musiker. Verblüffend war das Ergebnis: Nur eine einzige Versuchsperson – er selbst war übrigens kein Pianist sondern ein männlicher Violonist – stellte fest, dass die gespielte Musik bei den Musikerpaaren jeweils dieselbe war.

Interessant ist auch ein anderes Ergebnis dieser Studie: Da die beiden Interpreten jeweils männliche und weibliche waren, konnte durch die Benennung von Unterschieden in der Interpretation festgestellt werden, dass eine deutliche Mehrheit bei den weiblichen Interpretinnen eine höhere Dramatik in ihrer Interpretation wahrnahmen, während den männlichen Interpreten eine höhere Präzision bescheinigt wurde. Wie man sich täuschen kann, oder, wie man doch täuschen kann!

Zusammenfassend konnte zudem festgehalten werden, dass damit die Ursprungsstudie aus dem Jahr 1990 in ihren Ergebnissen bestätigt wurde.

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